Jagd auf potenzielle Steuersünder
Mit einem neuen Gesetz, Druck auf unkooperative Länder und verschärften Kontrollen in Deutschland will der Fiskus möglichst viele Steuersünder entdecken.
Unter der medienwirksamen Führung des Bundesfinanzministers hat die Finanzverwaltung in den vergangenen Monaten verstärkt zur Jagd auf potenzielle Steuersünder geblasen. Der Fiskus scheint dabei eine Treibjagd im Sinn zu haben, denn Druck auf die möglichen Steuerhinterzieher wird gleich an mehreren Fronten aufgebaut. So hat das Ministerium schon im Januar einen Entwurf für das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz vorgelegt.
Darin wurde jeder Unternehmer und Kapitalanleger unter Generalverdacht gestellt, der Geschäftsbeziehungen zu einem der als Steueroasen bekannten Staaten enthält. Wegen verfassungs-, europa- und völkerrechtlicher Bedenken wurde dieser Generalverdacht in späteren Fassungen des Entwurfs wieder aufgeweicht. Dafür wurden die Mitwirkungspflichten der Steuerzahler ebenso erweitert wie die Prüfungsrechte der Finanzämter.
So muss der Steuerzahler dem Finanzamt Fragen über seine Geschäftsbeziehungen zu Steueroasen beantworten und auf Verlangen ausländische Banken von ihrer Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Fiskus entbinden. Ebenso kann die Finanzverwaltung eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit der gemachten Angaben verlangen. Wer diesen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt, kann vom Finanzamt zur Aufbewahrung von Aufzeichnungen und Unterlagen über seine Geschäftsbeziehungen verdonnert werden.
Verweigert der Steuerpflichtige die verlangten Angaben, darf ihm das Finanzamt zum Beispiel den Betriebsausgabenabzug, eine Entlastung von der Kapitalertrags- oder Abzugssteuer oder die Steuerbefreiung für Dividenden verweigern. Steuerpflichtige, deren Überschusseinkünfte mehr als 500.000 Euro im Jahr betragen, müssen ihre Unterlagen ab 2010 generell für sechs Jahre aufbewahren und in Zukunft mit Außenprüfungen durch das Finanzamt rechnen. "Einer besonderen Begründung der Prüfungsanordnung bedarf es nicht", heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs.
Wer sich nicht an die Aufbewahrungspflichten hält, muss mit Schätzungen rechnen: Es wird widerlegbar vermutet, dass die steuerpflichtigen Einkünfte höher als die erklärten Einkünfte sind. Schwere Kritik an dem Gesetzentwurf kommt aus der Wirtschaft: In der Bundestagsanhörung kritisierten Experten das Gesetz als in der Praxis nicht anwendbar, weil es viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthalte. Der Entwurf sei eine Black Box für die Wirtschaft und führe zu einem immer weniger berechenbaren Steuerrecht.
Das Bundesfinanzministerium hält aber unverdrossen an der Absicht fest, das Gesetz noch im Sommer in Kraft treten zu lassen. Gleichzeitig versucht man, immer mehr Staaten zur Zusammenarbeit zu bewegen. Stolz verkündete das Ministerium im März, dass Abkommen zur Hilfe in Steuersachen und Steuerstrafverfahren nach dem OECD-Standard mit der Isle of Man, Jersey und Guernsey geschlossen wurden, und dass die Cayman Islands nun ebenfalls Auskünfte nach OECD-Standard erteilen.
Daneben hätten sich noch eine ganze Reihe weiterer Länder zu einer Zusammenarbeit im Sinne des OECD-Standards bereit erklärt. Das Ministerium nennt hier Andorra, Hongkong, Liechtenstein, Luxemburg, Macao, Monaco, Österreich, die Schweiz und Singapur. Mit diesen Ländern liegen jedoch noch keine fertigen Abkommen vor, weshalb das Ministerium fordert, der politische Druck auf internationaler Ebene müsse aufrecht erhalten bleiben. Da zur Peitsche aber auch Zuckerbrot gehört, wurde im Entwurf des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes eine Änderung vorgenommen: Als kooperativ soll ein Land jetzt schon dann gelten, wenn es zeitnah Maßnahmen zur Umsetzung der OECD-Standards einleitet.
Die dritte Front macht der Fiskus im Inland auf: Mit dem Segen des Bundesfinanzhofs dürfen die Betriebsprüfer des Finanzamtes künftig bei den Banken sehr viel häufiger Kontrollmitteilungen schreiben. Es genügt bereits, wenn ein Bankgeschäft Auffälligkeiten aufweist - der Verdacht auf eine Straftat muss nicht vorliegen.
In Anlehnung an die Rhetorik des Bundesfinanzministers hat der SPIEGEL das Urteil so kommentiert: "Seit gestern wissen wir, dass wir alle Indianer sind. Da veröffentlichte der Bundesfinanzhof ein Urteil, das Wild-West-Methoden auch in Steinbrücks eigenem Steuer-Staat absegnet. Der Saloon-Besitzer, der seine Forderungen mit vorgehaltener Waffe kassiert, und der deutsche Fiskus - es ist nur eine Frage der Maskierung: Beide pfeifen auf Rechtsstaat und ordentliche Gerichte, sondern suchen sich ihr Recht selber."
Eine Einschränkung, die der Bundesfinanzhof vornimmt, ist eben die, dass eine Transaktion auffällig sein muss. Allein der eigentlich immer zu rechtfertigende Verdacht, der Anleger könnte seine Kapitaleinträge nicht versteuert haben, genügt noch nicht. Diese Auffälligkeiten müssen die Transaktion aus dem Kreis der alltäglichen Geschäfte hervorheben oder eine für Steuerhinterziehung besonders anfällige Art der Geschäftsabwicklung haben, die dazu verlockt, solche Einkünfte dem Finanzamt zu verschweigen.
Weitere Einschränkungen enthält das Urteil nicht. Die Finanzverwaltung wird damit durch die unklaren Vorgaben zum Ermittler und gleichzeitig zum Richter in eigener Sache - ein Umstand, den Experten mit Sorge sehen. Um noch einmal den SPIEGEL zu zitieren: "Es hat aber - nicht nur in Deutschland - Tradition, dass im Bereich des Fiskus der Rechtsstaat nur unter Vorbehalt gilt. Das liegt daran, dass der Fiskus älter ist als der Rechtsstaat."